Widmungsfiktion in Sachsen

Tom

Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Tom »

Hallo Tom, Interesse ist vorhanden. Ich habe gerade eine Abhandlung zum Thema geschrieben, die ich demnächst (max . In 2 Wochen) auf meiner Homepage (flurbereinigung.org) [Link ausnahmsweise nicht entfernt. Siehe Kommentarrichtlinien.] veröffentlichen werde. Ich lasse die gerade noch prüfen. Im Forum auf meiner Homepage können wir auch detaillierter diskutieren. Eine Einzugsfiktion kann es m.E. nicht geben, weil die Einziehung zwingend einen Beschluss (der öffentlich bekannt gemacht werden musste) benötigte. In Sachsen gibt es aber die Besonderheit, dass ein Weg nur die Widmungsfiktion hat, wenn er zum Inkrafttreten des SächsStrG tatsächlich öffentlich oder betrieblich-öffentlich war. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein Weg die Öffentlichket verloren hat, wenn er zum Stichtag nicht mehr öffentlich war.
Gefunden ;-)

Im konkreten Fall habe ich mich auf die vor Grundstückskauf erteilte Auskunft der Gemeinde verlassen, dass der Weg über mein Grundstück nicht öffentlich sei. Einige Jahre später, als der Weg dann wirklich für den Durchgang gesperrt ist, entdeckt die Gemeinde die Widmungsfiktion und trägt den Weg als "Rad- und Wanderweg" nachträglich in das Bestandsverzeichnis ein. Derzeit läuft das Widerspruchsverfahren.

Natürlich werden sich genug Zeugen finden, die eine Öffentlichkeit vor 20 Jahren bezeugen möchten. Aus meiner Sicht handelte es sich aber damals um einen Anlieger- und Interessentenweg. Es gab eine Beschilderung "Einfahrt verboten, Anwohner frei" und der Weg hatte eher Trampelpfadcharakter bevor er um den Stichtag zum bitumierten Radweg befestigt (aber nicht auf meinem Grundstück) wurde. Historisch (1940) läßt sich kein Weg nachweisen.

Ich habe grundsätzlich kein Problem damit, für den Weg Fläche bereitzustellen. Leider kann ich ihn nicht um den Hofraum des "Gehöftes" führen. Er würde den Hofraum diagonal queren. Das ist das eigentliche weil extrem nutzwertmindernde Problem.

Interessant ist weiterhin: Es gab ein Flurbereinigungsverfahren ("Freiwilliger Landtausch") an dem auch die Gemeinde beteiligt war. Hätte die Gemeinde hier nicht schon die Aufgabe gehabt, sich für die Absicherung des Weges einzusetzen?

Ich bin gespannt auf Anregungen!

Grüße, Tom.

Partschefeld
Administrator
Beiträge: 169
Registriert: Sa 24. Sep 2011, 13:47
Kontaktdaten:

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Partschefeld »

Glück gehabt, dass der BR die URL nicht gelöscht hat. :)

Das klingt mir bei Dir auch so, als wäre dies kein leichter Fall. Wie Du Dich ja bestimmt schon belesen hast, ist in Sachsen einzig und allein der Stichtag 16.02.1993 ausschlaggebend. Es kommt somit weder darauf an, ob 1940 oder 1970 der Weg öffentlich oder nicht öffentlich war. Hier können nur Indizien helfen, weil weder der Ausbauzustand noch irgendwelche Schilder für die Frage der Öffentlichkeit erheblich sind. Ich würde Dir zunächst empfehlen, der Gemeinde zu empfehlen, dass sie einen Antrag bei der Flurbereinigungsbehörde (ehem. ÄLE) und/oder Forstbehörde stellen soll, um eine gutachterliche Stellungnahme über die Öffentlichkeit des Weges zu erhalten (Verweis auf die gemeinsamen Hinweisen des SMWA, SMUL und SMI vom 21.06.1995).

Wer hat denn damals das Schild aufgestellt und hat der Voreigentümer zum Stichtag (bzw. vorher als der Weg von Wanderern genutzt wurde) der "öffentlichen Nutzung" zugestimmt (auch konkludentes Zustimmen)?
Wird der Weg benötigt um auf den asphaltierten Radweg zu gelangen?
Wo endet der Weg, oder ist es eine Verbindung zu einem "tatsächlich öffentlichen Weg"?
Was sagen die Nachbarn oder die Voreigentümer wann der Weg und warum der Weg "öffentlich" wurde? Dies ist nämlich entscheidend, welche Straßenverordnung galt (entweder von 1957 oder 1974). Wenn die "Öffentlichkeit" vor 1957 gegeben war, galt das Gesetz über die Wegebaupflicht von 1870. Das können aber alles nur Indizien sein, weil, wie oben erwähnt, der Stichtag gilt.

Zwar sollten in einem Flurberinigungsverfahren möglichst alle bodenordnerischen Probleme (Nutzungskonflikte) gelöst werden, da es sich aber um einen FLT (ich tippe mal nach LwAnpG) handelt, ist die Flurbereinigungsbehörde im Wesentlichen an die Vereinbarungen der Tauschpartner gebunden (vgl. § 54 Abs. 2 LwAnpG). Und damals hat bestimmt die Gemeinde auch "noch nicht gewusst" das es ein öffentl. Weg ist. Ob ein Verfahren stattfand, ändert somit nichts an der Öffentlichkeit.

Kannst mir per E-Mail ja mal eine Karte schicken, dann schicke ich dir auch mal den Entwurf meiner Abhandlung.

Tom
Beiträge: 3
Registriert: Mo 25. Mär 2013, 22:08

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Tom »

Hallo ISpeech,

die Karte sollte im Postfach liegen....

Noch etwas Hintergrund für die Mitleser:

Der Bau des Radweges um 1993 erfolgte mit Fördermitteln wozu man zwar im Außenbereich von allen Grundstückseigentümern Zustimmung einholte, diese bei unseren Vorgängern aber offensichtlich nicht bekam. Gebaut wurde trotzdem. Fazit: "Verschwendung, weil die Wegerechte nicht durchgängig gesichert wurden".

Daher stellt sich die Frage: ergibt sich schon allein aus der Heranführung eines neu befestigten Radweges an den Privatweg auf unserem Grundstück zwangsläufig die Öffentlichkeit unseres Weges?

Grüße, Tom.

Partschefeld
Administrator
Beiträge: 169
Registriert: Sa 24. Sep 2011, 13:47
Kontaktdaten:

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Partschefeld »

Anhand Deiner Karten kann man erkennen, dass mind. bis 1945 ein Weg zwischen den Ortschaften bestand und mind. der Hauptweg, der in Richtung Nordosten verläuft, öffentlich war (eigenes Flurstück, höhere Straßenklasse lt. Berliner Meilenkarte). Ich gehe stark davon aus, dass der Hauptweg, wie auch Teile des Verbindungsweges mit der Kollektivierung der Landwirtschaft bzw. spätestend mit dem Bau der, auf dem Luftbild erkennbaren, großen Stallanlage weggefallen sind. Die LPG hatte ein umfassendes Nutzungsrecht an dem eingebrachten Boden und konnte Wege verändern (vgl. § 10 LPGG 1959 bzw. § 18 LPGG 1982). Somit könnte mit dem Bau der Stallanlage bzw. dem entfernen des Hauptweges der öffentliche Verbindungsverkehr (Wander- und Radverkehr) neu geregelt worden sein. Die Bauunterlagen könnten Hinweise geben. Sofern das Grundstück, auf dem der stittige öffentliche Weg sich befindet, komplett in die LPG eingebracht wurde, könnte der öffentliche Verkehr an die neue Stelle verlegt worden sein. Da lt. Google sich dort ein Schloss befindet, könnte das Grundstück zu DDR-Zeiten auch enteignet worden sein und der neue Staatseigentümer hat den öffentlichen Verkehr über das Grundstück geleitet (stillschweigende Duldung reicht aus).

Es kann somit ein öffentlicher Weg sein, der rechtlich entstanden ist, als die Verordnung über das Straßenwesen vom 18.07.1957 galt, demnach ist gem. § 3 Abs. 2 ein Weg öffentlich, wenn der Rechtsträger oder Eigentümer der öffentlichen Benutzung nicht widersprochen hat.

Das damals nicht über Dein Grundstück gebaut wurde, hat mit Sicherheit mit der "Nichtzustimmung" des damaligen Eigentümers zu tun. Wenn es sich um einen öffentlichen Weg handelt, wäre eine Zustimmung nur notwendig gewesen, wenn es Änderungen beim Wegebau hinsichtlich des Verlaufes oder der Breite gekommen wäre. Da aber bis heute die meisten Gemeinden/Städte sich mit der Widmungsfiktion schwer tun, hat man lieber nichts gemacht. Und dieses Nichtstun bringt nach und nach mehr Ärger, weil sich die Eigentümer auf Aussagen verlassen. Bereits jetzt müsste die Gemeinde die Verbotsschilder entfernen lassen und Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten, da sie annimmt, dass der Weg öffentlich ist. Und wieder tut die Gemeinde nichts, was weiter zur Ungewissheit führt. Aber auch der Gesetzgeber sollte die Widmungsfiktion nach und nach verbannen.

Ich könnte mir in Deinem Fall schon vorstellen, dass der Weg öffentlich ist, aber das ist reines Bauchgefühl anhand der mir vorliegenden Fakten und meinen Deutungen. Zur richtigen Feststellung Bedarf es schon einer gutachterlichen Ermittlung. Da ich Deiner Schreibweise entnehme, dass Du Dich einer Lösungssuche nicht verweigern würdest, empfehle ich Dir mit der Gemeinde Alternativvarianten zu diskutieren. Besser wäre, wenn ein neutraler Dritter (der von Dir und der Gemeinde akzeptiert wird) eine Art Mediationsverfahren führt. Ich denke ein Flurbereinigungsverfahren könnte helfen, denn selbst wenn Du das Widerspruchsverfahren verlierst, könntest Du die Gemeinde schikanieren. Weder Du wirst Interesse an einem Dauerkonflikt mit der Gemeinde haben und genausowenig die Gemeinde mit Dir.

Irrelevant für die Öffentlichkeit ist mit Sicherheit der Bau des Radweges im Außenbereich (Heranführung an Dein Grundstück). Aber Interessant wären auch hier die Bauunterlagen und die Fördermittelanträge, denn die Gemeinde hätte keine Fördermittel bekommen, wenn der Weg eine Sackgasse ist.

Tom
Beiträge: 3
Registriert: Mo 25. Mär 2013, 22:08

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Tom »

Der Hauptweg in nordöstliche Richtung ist damals weggefallen. Es gibt südlich des Flußes noch einen weiteren Verbindungsweg, der stattdessen genutzt wurde. Ein Weg in der jetzigen Form wurde damals nicht als Ersatz angelegt.

Das Schloß-Grundstück, um das es hier auch tatsächlich geht (ehemaliges Rittergut mit Herrenhaus) wurde damals nicht enteignet. Es gab auch keinen Durchgangsverkehr. Der Weg wurde allenfalls dazu genutzt, Altarme mit Schutt zu verfüllen. Würde man die heute renaturieren, wäre womöglich gar kein Platz für einen durchgängigen Weg.

Ich werde bei der Gemeinde, die sich übrigens fast 8 Monate mit einer Reaktion auf unseren Widerspruch Zeit gelassen hat, mal ein Flurbereinigungsverfahren mit Verweis auf § 103i FlurbG ins Gespräch bringen. Mein Handlungsspielraum ist im kritischen Bereich aber begrenzt, da das Grundstück nach Durchführung des Freiwilligen Landtausch noch einmal unvorteilhaft geteilt wurde (ausgefranst, Grenzbebauung).

Eine Wegführung quer über den Hofraum ließe sich nur durch Abriß von Bebauung vermeiden. Die Mittel würde ich aber lieber in die Sanierung des Herrenhauses stecken.

Partschefeld
Administrator
Beiträge: 169
Registriert: Sa 24. Sep 2011, 13:47
Kontaktdaten:

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Partschefeld »

Aber um auf den südlichen Weg zu gelangen muss man die Ortschaft erst verlassen, da ist die Verbindung durch das Rittergut für Wanderer und Radfahrer sicher attraktiver, zumal der Weg unmittelbar am Fluss verläuft.

Wenn das Grundstück nach 1945 bis 1993 in Privatbesitz war, dann stellt sich die Frage ob der Eigentümer die Öffentlichkeit nur geduldet hat, aber eben keine Öffentlichkeit wollte. Wenn natürlich tatsächlich nur ab und zu jemand drübergelaufen ist, dann ist es noch lange kein öffentlicher Weg kraft Gesetz.

Du hast Recht, das sieht vermessungstechnisch wirklich wüst aus, wie die neuen Grenzen gezogen worden und 8 Monate auf einen Widerspruchsbescheid warten ist auch eine Meisterleistung! Da kann man sich schon mal überlegen eine Dienstaufsichtsbeschwerde einzuleiten.

Da ein normales Flurbereinigungsverfahren von Amts wegen und nicht auf Antrag eingeleitet wird, wäre hier vielleicht ein Freiwilliger Landtausch gem. LwAnpG effektiver, denn Antragsgründe könnten vorliegen. Dann sollte sich die angrenzende Agrargenossenschaft (bzw. der Eigentümer der Stallanlage) auch an einer Lösungssuche (z.B. Verlegung des Weges nördlich Deines Grundstückes) mit beteiligen. Und bei einem Verfahren nach dem LwAnpG habt Ihr den Vorteil der 90%igen Förderung gem. RL ILE D 4.3.5.

Tom
Beiträge: 3
Registriert: Mo 25. Mär 2013, 22:08

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Tom »

Ich fürchte die Agrargenossenschaft ist in Sachen Freiwilliger Landtausch wenig gesprächsbereit.

Sie hatte nach Abschluß des Freiwilligen Landtausches das Gutsgelände selbst erworben und die beschriebene Teilung veranlasst, um wieder in den Besitz von Gebäuden zu kommen, deren Eigentums-/Nutzungsrechte sie im Rahmen des Verfahrens verloren hatte. Andererseits möchte sie einen öffentlichen Weg an ihren Grundstücksgrenzen wegen schlechter Erfahrungen vermeiden.

Als wir vor 4 Jahren der Gemeinde das Ende der geduldeten Nutzung über unser Grundstück ankündigten, gab es ein Gespräch mit allen Parteien. Mein Vorschlag, zu prüfen, ob nicht mit Fördermitteln der Abriß/Entschädigung einer Halle als Voraussetzung für eine verträgliche Wegführung möglich wäre, wurde damals nicht ernst genommen.

Ich werde das Thema aber noch mal ansprechen.

(Danke für die Post - sie war sehr aufschlussreich.)

Partschefeld
Administrator
Beiträge: 169
Registriert: Sa 24. Sep 2011, 13:47
Kontaktdaten:

Re: Widmungsfiktion in Sachsen

Beitrag von Partschefeld »

Dann viel Erfolg und berichte mal wenn der Widerspruchsbescheid oder die Abhilfe kommt.

Antworten